Zur Warenähnlichkeit von Fahrrädern und Kraftfahrzeugen
Eine Abgrenzung von Fahrrädern und Kraftfahrzeugen im markenrechtlichen Sinne ist nicht ohne weiteres möglich. Insbesondere wenn die Öffentlichkeit bei funktionsverwandten Produkten von einem Know-how-Transfer ausgehen könnte, kann dies für eine Verwechslungsgefahr sprechen.
Sachverhalt
Die Klägerin, ein in Südafrika ansässiger Fahrradhersteller, ist – seit 2003 in Deutschland und seit 2008 unionsweit – Inhaberin der Wortmarke „PEARL“ für Fahrräder. Im Jahr 2013 ließ die Beklagte, eine Tochtergesellschaft des französischen Automobilkonzerns Peugeot, die Marke „PURE PEARL“ für Kraftfahrzeuge eintragen und vertrieb Autos der Marke Citroën unter dieser Bezeichnung. Daraufhin verlangte die Klägerin vor dem LG Hamburg erfolgreich die Unterlassung dieser Bezeichnung wegen Verletzung älterer Markenrechte. Nachdem der Berufung der Beklagten vor dem OLG Hamburg stattgegeben wurde, hat der BGH das Berufungsurteil nun aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (BGH, Urteil vom 15.10.2020 – I ZR 135/19).
Entscheidungsgründe
Bei der Frage, ob eine Markenrechtsverletzung vorliegt, ist entscheidend, ob zwischen den betroffenen markenrechtlich geschützten Waren eine Verwechslungsgefahr besteht. Sinn und Zweck des Markenrechts ist schließlich der Schutz der individuellen Marke gegenüber nachahmenden Mitanbietern. Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist also auf die Abgrenzbarkeit von Fahrrädern und Kraftfahrzeugen abzustellen.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sieht der BGH dabei keine „absolute Warenunähnlichkeit“. Entscheidend bei der Beurteilung der Ähnlichkeit sei, ob sie bei der Herstellung oder dem Vertrieb Berührungspunkte haben, insbesondere in denselben Verkaufsstätten angeboten werden.
Dabei reiche für die Annahme einer Ähnlichkeit nicht der Umstand aus, dass Lizenzen für markenrechtlich geschützte Waren an andere Waren erteilt werden. Auch reiche es nicht aus, wenn Autohersteller in Kooperation mit Fahrradherstellern Fahrräder anbieten.
Zu berücksichtigen sei aber durchaus, dass Peugeot selbst Fahrräder herstellt. Zudem sei auch nicht ausgeschlossen, dass im Falle einer Lizensierung von Produkten nicht nur von einem Imagetransfer, sondern auch von einem Know-how-Transfer ausgegangen werden könnte. Dafür spreche die zunehmende Technisierung von Fahrrädern, speziell in Hinblick auf E-Bikes, und der allgemeine Mobilitätswandel, wodurch eine wachsende Vergleichbarkeit von Fahrrädern und Kraftfahrzeugen festzustellen sei. Schon jetzt werde von Automobilfirmen im Vertrieb von Fahrrädern mit der Expertise aus der Kraftfahrzeugtechnik aktiv geworben. Demnach bestehe, auch in der Lizensierungspraxis, eine mögliche Verwechslungsgefahr, weshalb die Frage nach der Warenähnlichkeit von Fahrrädern und Kraftfahrzeugen weiter klärungsbedürftig bleibt.
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